Klimawandel
Einfluss des Klimawandels auf Flora, Fauna und Lebensräume in den Landkreisen Ober-, Ost- und Unterallgäu
Im Folgenden werden die Ergebisse der Studie von Schneider, M. F. (2019) Einfluss des Klimawandels auf Flora, Fauna und Lebensräume in den Landkreisen Ober-, Ost- und Unterallgäu Bayern, Deutschland). Naturkundl. Beiträge Allgäu 54: 3-31 zusammengefasst und die Fortschreibung der Daten sowie Prognosen für die künftige Entwicklung des Klimas im Allgäu vorgestellt. Die Ergebnisse der Studie sind ferner im Vortrag “Klimawandel – Einfluss auf Natur und Mensch im Allgäu” zusammengefasst.
Ziel der Untersuchung war, Änderungen der Luft- und Wassertemperaturen, Niederschläge, Anzahl der Frosttage und Tage mit Schneebedeckung, der Ankunft von Zugvögeln sowie der Dauer der Vegetationsperiode in den Landkreisen Ober-, Ost- und Unterallgäu zu untersuchen. Die Jahresdurchschnittstemperaturen (2 m über dem Boden) haben sich seit 1781 um 1,6 °C bis 2,7 °C im Jahr 2023 erhöht, die Wassertemperaturen der untersuchten Gewässer stiegen zwischen 1981 und 2023 um 1,2 °C bis 3,2 °C. Die Jahresniederschlagsmenge nahm seit 1880 um bis zu 200 mm zu. Die Anzahl der Frosttage sank seit 1880 um bis zu 40 Tage, die Anzahl der Tage mit Schneebedeckung nahm seit 1910 um bis zu 50 Tage ab. Die Dauer der Vegetationsperiode betrug in den untersuchten Orten 2023 zwischen 242 und 267 Tage und hat sich gegenüber 1952 um bis zu 19 Tage verlängert. Von 20 untersuchten Zugvogelarten kehrten in der untersuchten Zeitspanne von 45 Jahren 13 Arten im Durchschnitt 13 Tage früher aus den Überwinterungsgebieten zurück. Schließlich wurden Biologen, Schmetterlingskundler, Herpetologen und Fachleute aus Forst- und Wasserwirtschaft um ihre Einschätzung zum Einfluss des Klimawandels auf Flora, Fauna und Lebensräume im Allgäu befragt, die Ergebnisse vorgestellt und diskutiert.
Bitte gerne an Interessierte weiterleiten. Bei Verwendung der Grafiken, bitte Urheber nennen.
Jahresdurchschnittstemperaturen in der Region: Die Trendlinie zeigt eine Erhöhung der Jahresdurchschnittstemperatur in Hohen-Peißenberg von 5,3 °C im Jahr 1781 auf 7,2 °C im Jahr 2023, in Oberstdorf von 5,5 °C im Jahr 1886 auf 7,1 °C im Jahr 2023, in Kempten von 6,1 °C im Jahr 1952 auf 8,8 °C und in Memmingen von 6,8 °C im Jahr 1940 auf 9,0 °C im Jahr 2023. Die Temperaturerhöhungen liegen mit bis zu 2,7 °C in Kempten weit über dem weltweiten Anstieg von ca. 1,1 °C seit dem Jahr 1900. (Datenbasis Deutscher Wetterdienst)
Die Wassertemperaturen von Gewässern in der Region sind um 1,2 °C bis 3,2 °C angestiegen: Die Trendlinie der Wassertemperatur der Iller bei Sonthofen zeigt einen Anstieg von 5,1 °C im Jahr 1981 auf 8,3 °C im Jahr 2023, die der Iller bei Wiblingen (Lkr. Ulm) von 8,3 °C auf 11,0 °C im Jahr 2023, die der Wertach/Grüntensee bei Haslach von 7,5 °C auf 9,0 °C im Jahr 2023 und die der Günz bei Waldstetten (Lkr. Günzburg) von 11,0 °C im Jahr 2010 auf 12,2 °C im Jahr 2023. (Datenbasis Gewässerkundlicher Dienst Bayern)
Die Jahresniederschläge nahmen in Hohen-Peißenberg seit 1880 um etwa 200 mm zu. In Oberstdorf und Kempten blieben die Niederschläge seit 1880 unverändert, in Memmingen nahmen sie seit 1880 um etwa 100 mm zu.
Die Anzahl der Frosttage nahm in Hohen-Peißenberg seit 1880 um ca. 40 Tage ab und hat sich in Oberstdorf seit 1910 kaum verändert. In Kempten ist seit 1950 ein Rückgang um 25 Tage und in Memmingen eine geringfügige Abnahme seit 1960 um etwa 5 Tage zu beobachten.
In Abhängigkeit von der Höhenlage verringerte sich die Anzahl der Tage mit Schneebedeckung: Nahezu keine Änderung seit 1910 zeigt Hohen-Peißenberg, Oberstdorf einen Rückgang um 25 Tage. In Kempten hingegen hat sich die Anzahl der Tage mit Schneebedeckung seit 1950 auf 50 Tage halbiert, in Memmingen seit 1960 um etwa 40 Tage verringert.
Verfrühung der Blühzeitpunkte: Der Beginn der Blüte der Gewöhnlichen Hasel fand 2023 in Oberstdorf etwa 37 Tage früher statt als Anfang der 1950er Jahre, in Pfaffenhausen 28 Tage früher, in Füssen 40 Tage früher und in Wegscheidel 14 Tage früher als Anfang der 1950er Jahre. (Daten Deutscher Wetterdienst)
Verfrühung der Blühzeitpunkte: Der Beginn der Blüte des Löwenzahns fand 2023 in Oberstdorf ungefähr 10 Tage früher statt als Anfang der 1950er Jahre, in Pfaffenhausen 29 Tage früher, in Füssen 23 Tage früher und in Wegscheidel 7 Tage früher als Anfang der 1950er Jahre. (Daten Deutscher Wetterdienst)
Verfrühung der Blühzeitpunkte: Der Beginn der Blüte der Herbstzeitlosen fand 2023 in Oberstdorf etwa 18 Tage früher statt als Anfang der 1950er Jahre, in Pfaffenhausen im Jahr 1990 23 Tage früher als Anfang der 1950er Jahre, in Füssen 2023 11 Tage später und in Wegscheidel 3 Tage später als Anfang der 1950er Jahre. (Daten Deutscher Wetterdienst)
Verfrühung der Blühzeitpunkte: Der Beginn des Nadelfalls der Lärche fand 2023 in Oberstdorf 8 Tage früher statt als 2006, in Pfaffenhausen 2023 23 Tage später als Anfang der 1950er Jahre und in Füssen 5 Tage später als Anfang der 1950er Jahre. In Wegscheidel hat sich 2023 der Beginn des Nadelfalls der Lärche um 5 Tage gegenüber Anfang der 1950er Jahre verfrüht. (Daten Deutscher Wetterdienst)
Phänologische Uhr: Beginn (Tag des Jahres) der Haselblüte, Löwenzahnblüte, Herbstzeitlosenblüte und Höhepunkt des Nadelfalls der Lärche. Mittelwerte der Jahre 1952-1987 (innerer Ring) sowie 1988-2023 (äußerer Ring). Die Dauer der Vegetationsperiode in Oberstdorf (Oberallgäu, 810 m ü NN) betrug 248 Tage in den Jahren 1988-2023 und hat sich gegenüber 1952-1987 um 17 Tage verlängert. In Pfaffenhausen (Unterallgäu, 560 m ü NN) dauerte die Vegetationsperiode in den Jahren 1988-2023 267 Tage und war 16 Tage länger als im Zeitraum 1952-1987. Die Dauer der Vegetationsperiode in Füssen (Ostallgäu, 808 m ü NN) betrug 254 Tage in den Jahren 1988-2023 und hat sich gegenüber 1952-1987 um 19 Tage verlängert. In Wegscheidel (Oberallgäu, 920 m ü NN) dauerte die Vegetationsperiode in den Jahren 1988-2023 242 Tage und war 6 Tage länger als im Zeitraum 1952-1987. Die Dauer der Vegetationsperiode betrug in den untersuchten Orten 2023 zwischen 242 und 267 Tage und hat sich gegenüber 1952 um bis zu 19 Tage verlängert. (Daten Deutscher Wetterdienst)
Verfrühte Rückkehr ins Oberallgäu: Die Trendlinien zeigen, dass der Kuckuck im Jahr 2023 12 Tage früher rief als vor 45 Jahren, der Feldschwirl 11 Tage früher, die Schafstelze 22 Tage früher und der Berglaubsänger 21 Tage früher aus ihren Überwinterungsgebieten zurückkehrten. Weitere untersuchte Arten, die früher zurückkehren: Mauersegler, Mehlschwalbe, Baumpieper, Feldschwirl, Gartengrasmücke, Klappergrasmücke, Teichrohrsänger, Berglaubsänger, Grauschnäpper, Braunkehlchen und Neuntöter. Von den 20 untersuchten Arten kamen im Jahr 2023 13 Arten früher an als vor 45 Jahren. Durchschnittlich erfolgte die Rückkehr 13 Tage früher. (Datenbasis Avifaunistische Mitteilungen aus dem Oberallgäu, Naturkundliche Beiträge Allgäu)
Mittlerweile im Allgäu etablierte Gliedertiere (Datenbasis Naturkundliche Beiträge Allgäu)
Verschiebung von Verbreitungsgrenzen (Daten u.a. Alfred Karle-Fendt):
- Feldgrille: seit 2000 von 900 m ü NN auf 1.400 (1.600) m ü NN “gewandert”
- Blaugrüne Mosaikjungfer hat sich von 1.000 m vor 20 Jahren bis in Höhen von 1.700 m ü NN heute verbreitet
- Hochmoor-Gelbling ist heute unter 800 m ü NN verschwunden
- Grünes Heupferd wurde im Allgäu bereits aud 1.000 m ü NN gefunden
- Wespenspinne seit 1980 im Allgäu, verdrängt auf Feuchtweisen heimische Eichenblatt-Radspinne und Vierfleck-Kreuzspinne
- Steinbock ist Gewinner des Klimawandels, da Schnee ein Ausbreitungshemmnis darstellt und weniger Schnee die Ausbreitung der Tiere begünstigt
- Wildschwein und wärmeliebende Überträger von Infektionskrankheiten wie der Holzbock sind weitere Gewinner
- die Fischregionen verschieben sich gewässeraufwärts
Klima-Prognosen für das Allgäu
Die Simulationen wurden erstellt mit Hilfe von GLOWA-Danube (http://www.glowa-danube.de/atlas/atlas.php; entwickelt von Ludwig-Maximilians Universität München, Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, Bundesministerium für Bildung und Forschung). Von vier Klimamodellen wurde dasjenige mit der moderatesten Klimaänderung gewählt (www.glowa-danube.de/atlas/s2.php).
Darüber hinaus wurden Klimaausblicke für alle Landkreise Deutschlands im Juni 2021 vom Climate Service Center Germany (GERICS) des Helmholtz-Zentrum erstellt (https://www.gerics.de/klimaausblick-landkreise).
Vergleich des langjährigen Mittels (1971 bis 2000) der Wintertemperaturen (November bis April) mit den zukünftigen Wintertemperaturen (ICCP Prognose 2031 -2060)
Vergleich des langjährigen Mittels (1971 bis 2000) der Sommertemperaturen (Mai bis Oktober) mit den zukünftigen Wintertemperaturen (ICCP Prognose 2031 -2060)
Prognose der Temperaturänderungen März-April-Mai (oben links), Juni-Juli-August (oben rechts), September-Oktober-November (unten links) und Dezember-Januar-Februar (unten rechts) (Daten Klimawandelstudie Unterallgäu, Uni Augsburg & Karlsruher Institut für Technologie, 2019)
Prognose der Änderungen der jährlichen Niederschlagsmengen (Glowa Danube)
Prognose der Änderungen der jählichen Niederschlagsmengen (Daten Klimawandelstudie Unterallgäu, Uni Augsburg & Karlsruher Institut für Technologie, 2019)
Prognose der mittleren Schneedeckendauer (Glowa-Danube)
Prognose der mittleren Anzahl der Frosttage (Glowa-Danube)
Prognose der Änderungen des Grundwasserspiegels (Glowa-Danube)
Prognose der Änderungen der Jahresarbeit von Wasserkraftwerken (Glowa-Danube)
Prognose der Änderung der mittleren Anzahl von Betriebstagen von Skigebieten (Glowa-Danube)
Quellen:
- Basen, T. & Ros, A. (2018): Wie warm darf’s denn sein? Temperaturbedürfnisse der Bachforelle in Baden-Württemberg. AUF AUF 2018 (1): 46-50
- Bühler, B. & Stadelmann, H. (2018): Erstnachweis der Goldwespe (Chrysis marginata) in Südbayern. Naturkundliche Beiträge aus dem Allgäu 53: 83
- Klimaausblick für alle Landkreise Deutschland, Juni 2021, Climate Service Center Germany (GERICS), Helmholtz-Zentrum. https://www.gerics.de/klimaausblick-landkreise
- Deutscher Wetterdienst (DWD) (ohne Jahr): Phänologisches Grundnetz. ftp://ftp-cdc.dwd.de/pub/CDC/observations_germany/phenology/annual_reporters/wild/
historical/ (Stand 19.02.2019) - Deutscher Wetterdienst (DWD) (ohne Jahr): Phänologie. https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/ klimaueberwachung/phaenologie/phaenologie_node.html (Stand 19.02.2019)
- Deutscher Wetterdienst (DWD) (ohne Jahr): Quelle Klimadaten (Jahresdurchschnittstemperatur). https://cdc.dwd.de/portal/201810240858/mapview (Stand 19.02.2019)
- Gewässerkundlicher Dienst Bayern (GKD) (ohne Jahr): Daten Wassertemperatur der Fließgewässer. https://www.gkd.bayern.de/ (Stand 19.02.2019)
- GLOWA-Projekt Donau (2015): Integrative Techniken, Szenarien und Strategien zur Zukunft des Wassers im Einzugsgebiet der Oberen Donau. http://www.glowa-danube.de (Stand 19.02.2019)
- Karle-Fendt, A. & Stadelmann, H. (2006): Libellen mit mediterranem bzw. subtropischem Verbreitungsschwerpunkt im Lkr. Oberallgäu (Schwaben, Bayern). Naturkundliche Beiträge aus dem Allgäu 41_1-2: 5-12
- Karle-Fendt, A. & Stadelmann, H. (2013): Entwicklung der Libellenfauna eines regenerierenden Hochmoores nach Renaturierungsmaßnahmen (Odonata). Libellula 32 (1/2): 1-30
- Karle-Fendt, A. & Stadelmann, H. (2018): Nachweis des Malven-Dickkopffalters (Carcharodus alceae) in den Landkreisen Ober- und Ostallgäu. Naturkundliche Beiträge aus dem Allgäu 53: 77-81
- Land Oberösterreich (2014-2019): Zoologisch-Botanische Datenbank (ZOBODAT). http://www.zobodat.at/publikation_series.php?id=17530 (Stand 19.02.2019)
- Walter, D. (1978-2011): Avifaunistische Kurzmitteilungen aus dem Oberallgäu: Mitteilungen des Naturwissenschaftlichen Arbeitskreises Kempten (Allgäu) der Volkshochschule Kempten 23 bis 46
- Walter, D. (2012-2023): Avifaunistische Kurzmitteilungen aus dem Oberallgäu: Naturkundliche Beiträge aus dem Allgäu 47 bis 53