Klimawandel
Einfluss des Klimawandels auf Flora, Fauna und Lebensräume in den Landkreisen Ober-, Ost- und Unterallgäu
Im Folgenden werden die Ergebisse der Studie von Schneider, M. F. (2019) Einfluss des Klimawandels auf Flora, Fauna und Lebensräume in den Landkreisen Ober-, Ost- und Unterallgäu Bayern, Deutschland). Naturkundl. Beiträge Allgäu 54: 3-31 zusammengefasst, die Fortschreibung der Daten sowie Prognosen für die künftige Entwicklung des Klimas im Allgäu vorgestellt.
Ziel der Untersuchung war, Änderungen der Luft- und Wassertemperaturen, der Ankunft von Zugvögeln sowie der Dauer der Vegetationsperiode in den Landkreisen Ober-, Ost- und Unterallgäu zu untersuchen. Die Jahresdurchschnittstemperaturen haben sich seit 1850 um 1,5 °C bis 2,7 °C im Jahr 2022 erhöht, die Wassertemperaturen der untersuchten Gewässer stiegen zwischen 1981 und 2022 um 1,0 °C bis 3,2 °C. Die Dauer der Vegetationsperiode betrug in den untersuchten Orten 2021 zwischen 249 und 283 Tage und hat sich gegenüber 1952 um bis zu 49 Tage verlängert. Von 20 untersuchten Zugvogelarten kehrten in der untersuchten Zeitspanne von 45 Jahren 13 Arten im Durchschnitt 13 Tage früher aus den Überwinterungsgebieten zurück. Schließlich wurden Biologen, Schmetterlingskundler, Herpetologen und Fachleute aus Forst- und Wasserwirtschaft um ihre Einschätzung zum Einfluss des Klimawandels auf Flora, Fauna und Lebensräume im Allgäu befragt, die Ergebnisse vorgestellt und diskutiert.
Jahresdurchschnittstemperaturen in der Region: Die Trendlinie zeigt eine Erhöhung der Jahresdurchschnittstemperaturen in Hohen-Peißenberg von 5,3 °C im Jahr 1781 auf 7,2 °C, in Oberstdorf von 5,5 °C im Jahr 1886 auf 7,0 °C, in Kempten von 6,1 °C im Jahr 1952 auf 8,8 °C und in Memmingen von 6,8 °C im Jahr 1940 auf 9,0 °C im Jahr 2022. Die Temperaturerhöhungen liegen mit bis zu 2,7 °C in Kempten weit über dem weltweiten Anstieg von ca. 1,1 °C seit dem Jahr 1900. (Daten Deutscher Wetterdienst)
Die Wassertemperaturen von Gewässern in der Region sind um 1,0 °C bis 3,2 °C angestiegen: Die Trendlinie in der Iller bei Sonthofen von 5,1 °C im Jahr 1981 auf 8,3 °C, in der Iller bei Wiblingen (Lkr. Ulm) von 8,3 °C auf 11,0 °C, in der Wertach/Grüntensee bei Haslach von 7,5 °C auf 9,0 °C und in der Günz bei Waldstetten (Lkr. Günzburg) von 11,0 °C im Jahr 2010 auf 12,0 °C im Jahr 2022. (Daten Gewässerkundlicher Dienst Bayern)
Verfrühung der Blühzeitpunkte: Der Beginn der Blüte der Gewöhnlichen Hasel fand in Oberstdorf Anfang der 1950er Jahre etwa 35 Tage früher statt als 2021, in Pfaffenhausen 22 Tage früher, in Füssen 29 Tage früher und in Wegscheidel 5 Tage früher. (Daten Deutscher Wetterdienst)
Verfrühung der Blühzeitpunkte: Der Beginn der Blüte des Löwenzahns fand in Oberstdorf Anfang der 1950er Jahre ungefähr 10 Tage früher statt als 2021, in Pfaffenhausen 25 Tage früher, in Füssen 23 Tage früher und in Wegscheidel 5 Tage früher. (Daten Deutscher Wetterdienst)
Verfrühung der Blühzeitpunkte: Der Beginn der Blüte der Herbstzeitlosen fand in Oberstdorf Anfang der 1950er Jahre etwa 17 Tage früher statt als 2021, in Pfaffenhausen 16 Tage früher als im Jahr 1990, in Füssen 9 Tage später als 2021 und in Wegscheidel 4 Tage später als im Jahr 2021. (Daten Deutscher Wetterdienst)
Verfrühung der Blühzeitpunkte: Beginn (Tag des Jahres) der Haselblüte, Löwenzahnblüte, Herbstzeitlosenblüte und Höhepunkt des Nadelfalls der Lärche, Mittelwerte der Jahre 1952-1987 (innerer Ring) sowie 1988-2022 (äußerer Ring). Die Dauer der Vegetationsperiode in Oberstdorf (Oberallgäu, 810 m ü NN) betrug 247 Tage in den Jahren 1988-2022 und hat sich gegenüber 1952-1987 um 15 Tage verlängert. In Füssen (Ostallgäu, 808 m ü NN) dauerte die Vegetationsperiode in den Jahren 1988-2022 254 Tage und war 19 Tage länger als im Zeitraum 1952-1987. Die Dauer der Vegetationsperiode in Pfaffenhausen (Unterallgäu, 560 m ü NN) betrug 265 Tage in den Jahren 1988-2022 und hat sich gegenüber 1952-1987 um 14 Tage verlängert. In Wegscheidel (Oberallgäu, 920 m ü NN) dauerte die Vegetationsperiode in den Jahren 1988-2022 242 Tage und war 6 Tage länger als im Zeitraum 1952-1987. Verglichen werden die Zeiträume 1952 bis 1987 mit 1988 bis 2022 und dadurch jährliche Schwankungen gemittelt. Deshalb ergibt sich „nur“ eine Verlängerung der Vegetationsperiode von 6 bis 19 Tagen. (Daten Deutscher Wetterdienst)
Die folgenden phänologischen Uhren vergleichen jeweils die Jahre 1952 mit 2022. Beginn (Tag des Jahres) der Haselblüte, Löwenzahnblüte, Herbstzeitlosenblüte und Höhepunkt des Nadelfalls der Lärche im Jahr 1952 (innerer Ring) und im Jahr 2022 (äußerer Ring). In Oberstdorf (Oberallgäu, 810 m ü NN) betrug die Vegetationsperiode 264 Tage im Jahr 2022 und war 38 Tage länger als im Jahr 1952. Die Vegetationsperiode in Füssen (Ostallgäu, 808 m ü NN) dauerte im Jahr 2022 267 Tage und war gegenüber 1952 um 43 Tage verlängert. In Pfaffenhausen (Unterallgäu, 560 m ü NN) betrug die Dauer der Vegetationsperiode 294 Tage im Jahr 2022 und dauerte gegenüber 1952 60 Tage länger. Die Dauer der Vegetationsperiode in Wegscheidel (Oberallgäu, 920 m ü NN) betrug 243 Tage im Jahr 2022 und war 23 Tage länger als im Jahr 1952. Die Dauer der Vegetationsperiode lag 2022 in den vier Orten zwischen 243 und 294 Tagen und hat sich gegenüber 1952 um bis zu 60 Tage verlängert.
Beginn der Amphibiensammlung im Landkreis Unterallgäu (Daten Bund Naturschutz Bayern, Kreisgruppe Unterallgäu/Memmingen) und Erscheinen der Kreuzotter im Felmer Moos (Daten Alfred Karle-Fendt) in Abhängigkeit des Temperaturminimums in Oberstdorf und Memmingen
Verfrühte Rückkehr ins Oberallgäu: Die Trendlinien zeigen, dass der Kuckuck im Jahr 2022 14 Tage früher rief als vor 45 Jahren, der Feldschwirl 12 Tage früher, die Schafstelze 21 Tage früher und der Berglaubsänger 23 Tage früher aus ihren Überwinterungsgebieten zurückkehrten. Weitere untersuchte Arten, die früher zurückkehren: Mauersegler, Mehlschwalbe, Baumpieper, Feldschwirl, Gartengrasmücke, Klappergrasmücke, Teichrohrsänger, Berglaubsänger, Grauschnäpper, Braunkehlchen und Neuntöter. Von den 20 untersuchten Arten kamen im Jahr 2022 13 Arten früher an als vor 45 Jahren. Durchschnittlich erfolgte die Rückkehr 13 Tage früher. (Daten Avifaunistische Mitteilungen aus dem Oberallgäu, Naturkundliche Beiträge Allgäu)
Mittlerweile im Allgäu etablierte Gliedertiere (Daten Naturkundliche Beiträge Allgäu)
Verschiebung von Verbreitungsgrenzen (Daten u.a. Alfred Karle-Fendt):
- Feldgrille: seit 2000 von 900 m ü NN auf 1.400 (1.600) m ü NN “gewandert”
- Blaugrüne Mosaikjungfer hat sich von 1.000 m vor 20 Jahren bis in Höhen von 1.700 m ü NN heute verbreitet
- Hochmoor-Gelbling ist heute unter 800 m ü NN verschwunden
- Grünes Heupferd wurde im Allgäu bereits aud 1.000 m ü NN gefunden
- Wespenspinne seit 1980 im Allgäu, verdrängt auf Feuchtweisen heimische Eichenblatt-Radspinne und Vierfleck-Kreuzspinne
- Steinbock ist Gewinner des Klimawandels, da Schnee ein Ausbreitungshemmnis darstellt und weniger Schnee die Ausbreitung der Tiere begünstigt
- Wildschwein und wärmeliebende Überträger von Infektionskrankheiten wie Holzbock sind weitere Gewinner
- die Fischregionen verschieben sich gewässeraufwärts
Klima-Prognosen für das Allgäu
Die Simulationen wurden erstellt mit Hilfe von GLOWA-Danube (http://www.glowa-danube.de/atlas/atlas.php; entwickelt von Ludwig-Maximilians Universität München, Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, Bundesministerium für Bildung und Forschung). Von vier Klimamodellen wurde dasjenige mit der moderatesten Klimaänderung gewählt (www.glowa-danube.de/atlas/s2.php).
Darüber hinaus wurden Klimaausblicke für alle Landkreise Deutschlands im Juni 2021 vom Climate Service Center Germany (GERICS) des Helmholtz-Zentrum erstellt (https://www.gerics.de/klimaausblick-landkreise).
Vergleich des langjährigen Mittels (1971 bis 2000) der Wintertemperaturen (November bis April) mit den zukünftigen Wintertemperaturen (ICCP Prognose 2031 -2060)
Vergleich des langjährigen Mittels (1971 bis 2000) der Sommertemperaturen (Mai bis Oktober) mit den zukünftigen Wintertemperaturen (ICCP Prognose 2031 -2060)
Prognose der Temperaturänderungen März-April-Mai (oben links), Juni-Juli-August (oben rechts), September-Oktober-November (unten links) und Dezember-Januar-Februar (unten rechts) (Daten Klimawandelstudie Unterallgäu, Uni Augsburg & Karlsruher Institut für Technologie, 2019)
Prognose der Änderungen der jährlichen Niederschlagsmengen (Glowa Danube)
Prognose der Änderungen der jählichen Niederschlagsmengen (Daten Klimawandelstudie Unterallgäu, Uni Augsburg & Karlsruher Institut für Technologie, 2019)
Prognose der mittleren Schneedeckendauer (Glowa-Danube)
Prognose der mittleren Anzahl der Frosttage (Glowa-Danube)
Prognose der Änderungen des Grundwasserspiegels (Glowa-Danube)
Prognose der Änderungen der Jahresarbeit von Wasserkraftwerken (Glowa-Danube)
Prognose der Änderung der mittleren Anzahl von Betriebstagen von Skigebieten (Glowa-Danube)
Quellen:
- Basen, T. & Ros, A. (2018): Wie warm darf’s denn sein? Temperaturbedürfnisse der Bachforelle in Baden-Württemberg. AUF AUF 2018 (1): 46-50
- Bühler, B. & Stadelmann, H. (2018): Erstnachweis der Goldwespe (Chrysis marginata) in Südbayern. Naturkundliche Beiträge aus dem Allgäu 53: 83
- Klimaausblick für alle Landkreise Deutschland, Juni 2021, Climate Service Center Germany (GERICS), Helmholtz-Zentrum. https://www.gerics.de/klimaausblick-landkreise
- Deutscher Wetterdienst (DWD) (ohne Jahr): Phänologisches Grundnetz. ftp://ftp-cdc.dwd.de/pub/CDC/observations_germany/phenology/annual_reporters/wild/
historical/ (Stand 19.02.2019) - Deutscher Wetterdienst (DWD) (ohne Jahr): Phänologie. https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/ klimaueberwachung/phaenologie/phaenologie_node.html (Stand 19.02.2019)
- Deutscher Wetterdienst (DWD) (ohne Jahr): Quelle Klimadaten (Jahresdurchschnittstemperatur). https://cdc.dwd.de/portal/201810240858/mapview (Stand 19.02.2019)
- Gewässerkundlicher Dienst Bayern (GKD) (ohne Jahr): Daten Wassertemperatur der Fließgewässer. https://www.gkd.bayern.de/ (Stand 19.02.2019)
- GLOWA-Projekt Donau (2015): Integrative Techniken, Szenarien und Strategien zur Zukunft des Wassers im Einzugsgebiet der Oberen Donau. http://www.glowa-danube.de (Stand 19.02.2019)
- Karle-Fendt, A. & Stadelmann, H. (2006): Libellen mit mediterranem bzw. subtropischem Verbreitungsschwerpunkt im Lkr. Oberallgäu (Schwaben, Bayern). Naturkundliche Beiträge aus dem Allgäu 41_1-2: 5-12
- Karle-Fendt, A. & Stadelmann, H. (2013): Entwicklung der Libellenfauna eines regenerierenden Hochmoores nach Renaturierungsmaßnahmen (Odonata). Libellula 32 (1/2): 1-30
- Karle-Fendt, A. & Stadelmann, H. (2018): Nachweis des Malven-Dickkopffalters (Carcharodus alceae) in den Landkreisen Ober- und Ostallgäu. Naturkundliche Beiträge aus dem Allgäu 53: 77-81
- Land Oberösterreich (2014-2019): Zoologisch-Botanische Datenbank (ZOBODAT). http://www.zobodat.at/publikation_series.php?id=17530 (Stand 19.02.2019)
- Walter, D. (1978-2011): Avifaunistische Kurzmitteilungen aus dem Oberallgäu: Mitteilungen des Naturwissenschaftlichen Arbeitskreises Kempten (Allgäu) der Volkshochschule Kempten 23 bis 46
- Walter, D. (2012-2018): Avifaunistische Kurzmitteilungen aus dem Oberallgäu: Naturkundliche Beiträge aus dem Allgäu 47 bis 53